About

Über das Projekt

"Heute Nacht, wenn die zwei Astronauten auf dem Mond landen, werden Millionen von Fernsehzuschauern sie beobachten, und im Grunde ist es genauso weit weg wie Vietnam, auf der anderen Wohnzimmerseite: die fünfte Wand." (Navina Sundaram, Brief an die Eltern, 21.7.1969)

Die Türen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in Deutschland öffnen sich. Dahinter liegt ein unermesslicher Schatz an Bildungsinhalten, historischen Zeitdokumenten, Filmgeschichte. Um diese Inhalte einer diversen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, braucht es Modelle zukünftiger Archivpraxis. Solche Praxis versteht das Archiv als Raum, der (Medien)-Geschichte nicht als Herrschaftsnarrativ abbildet, sondern als Geflecht verschiedenster - auch widersprüchlicher - historischer Erzählungen, die Resonanzen in der jeweiigen Gegenwart erzeugen. Diese Resonanzen sind nicht immer wohlklingend - das hieße, das Archiv als nostalgischen Raum misszuverstehen, sie fordern heraus und verweisen gleichzeitig auf die Lücken und Unsichtbarkeiten, die jedes Archiv mitproduziert.

Das Archiv Die fünfte Wand versammelt Filme, Reportagen, Moderationen, Texte, Briefe und Fotos der Filmemacherin und Redakteurin Navina Sundaram aus über 40 Jahren Tätigkeit für das Fernsehen. Sundarams Blickpunkt einzunehmen, ihre Reportagen, Beiträge und Moderationen ins Zentrum zu stellen, heißt gleichzeitig von Innen und Außen auf bundesdeutsche Fernsehgeschichte zu schauen. Dabei steht sie im Zentrum als eine Autorin, die journalistisch Position bezieht: zu Internationalismus und Dekolonisierung, Klassenfrage, Rassismus, Einwanderung, zu indischer und bundesdeutscher Politik. Extrahiert aus Archiven der ARD sowie aus Sundarams Privatarchiv, ist Die fünfte Wand ein kuratierter Blick auf deutsche Migrations- und Mediengeschichte. Was heißt es von heute aus, auf dieses Materialen zu schauen? Und welchen Blick werfen diese auf uns zurück?

Die fünfte Wand ist nonlineare Biografie, Fernseharchiv und Rechercheplattform zugleich. Die Recherche in diesem digitalen Archiv erfolgt nach Art der Archivalien, Themen, Sendereihen, Herstellungsjahr oder über die freie Suche. Dokumente, Interviewsequenzen und Kommentare, die sich explizit auf einzelne Filmwerke beziehen, sind nur im Kontext dieser Werke einsehbar. Wir laden dazu ein, uns Fragestellungen, Recherchepfade durch das Archiv sowie weiterführende Bildungsangebote mitzuteilen und im Workspace für andere User*innen zur Veröffentlichung freizugeben.

Die fünfte Wand wurde im Rahmen von Archive außer sich von Merle Kröger und Mareike Bernien in Zusammenarbeit mit Navina Sundaram konzeptionalisiert und realisiert. Viele Personen haben das Projekt dabei in Recherche, Aufbereitung der Dokumente und als Diskussionspartner*innen unterstützt, insbesondere Rubaica Jaliwala, Philip Scheffner, João Carvalho, Roland Lauth, Emerson Culurgioni, Tim Schmalfeldt, Torsten Schilling, Stefanie Schulte Strathaus, das Web-Team Laura Oldenbourg, Michael Scharnagl und Sebastian Göbel, das Studio wave-line Team um Matthias Behrens und unsere Mitstreiter*innen aus dem Projektzusammenhang pong film und Archive Außer sich.

Archive außer sich ist ein Projekt des Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. in Kooperation mit dem Haus der Kulturen der Welt. Gefördert im Rahmen von Das Neue Alphabet durch die BKM auf Grundlage eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

Personen

Navina Sundaram wächst auf in Neu-Delhi, Indien, wo sie Englische Literatur studiert, bevor sie 1964 für eine zweijährige Ausbildung zum NDR nach Hamburg kommt. Ab 1970 arbeitet sie als politische Redakteurin für die Sendeanstalt. Sie ist als Filmemacherin, Reporterin und Moderatorin u.a. für die Sendungen Weltspiegel, Gesichter Asiens, Panorama und Extra Drei tätig. Von 1992 - 93 ist sie ARD-Korrespondentin und Leiterin des Fernsehstudios Südasien in Neu-Delhi. Nach Ende ihrer Tätigkeit für den NDR setzt Navina Sundaram ihre Arbeit als unabhängige Regisseurin von Dokumentarfilmen fort. Sie ist weiterhin Autorin zahlreicher Texte und Vorträge. https://de.wikipedia.org/wiki/Navina_Sundaram

Merle Kröger lebt als Roman- und Filmautorin in Berlin. Gemeinsam mit dem Filmemacher Philip Scheffner entstehen ab 2007 dokumentarische Kinofilme. In ihren Romanen verbindet Kröger historische Recherche, persönliche Geschichte und politische Analyse mit Elementen der Kriminalliteratur. Als Kuratorin des transnationalen Kulturprojektes Import Export. Kulturtransfer zwischen Indien und Deutschland, Österreich (2005) beginnt sie eine langjährige Zusammenarbeit mit Navina Sundaram.

Mareike Bernien lebt in Berlin und arbeitet als Filmemacherin und Lehrende im Bereich filmischer Forschung und kritischer Archivpraxen. Dabei bestimmt eine recherchebasierte Haltung ihre Arbeiten, in denen erinnerungspolitische und medienarchäologische Fragen verhandelt werden. Zu ihren letzten Arbeiten gehören: Sonne Unter Tage (2022), Tiefenschärfe (2017) mit Alex Gerbaulet. Seit mehreren Jahren ist sie Teil der Produktionsplattform pong und arbeitet hier u.a. zusammen mit Merle Kröger an dem Archivprojekt Die fünfte Wand.

Rubaica Jaliwala, freiberufliche Lektorin und Übersetzerin von literarischen, künstlerischen und kulturellen Texten und Büchern, lebt in Mumbai und Berlin. Als Trainerin und Bildungsberaterin hat sie auf vier Kontinenten Workshops zu den Themen interkulturelles Lernen und Vielfalt, Antirassismus und Gender geleitet. Seit 2005 arbeitet sie mit pong film an der deutsch-englischen Übersetzung von Filmuntertiteln, Essays, Romanen und dem gesamten Archiv Die fünfte Wand mit seinen Filmen, Reportagen und Kommentaren. Außerdem hat sie Auszüge aus den Briefen von Navina Sundaram für Audioaufnahmen rezitiert.

English film subtitling: Anticlock Films

Lizenzgeber*innen

NDR / Studio Hamburg, WDR / WDR Media Group, pong film GmbH, Bundesarchiv Abt. Filmarchiv / Transit film GmbH, AP Archive / British Movietone, British Pathé, Christoph Maria Fröder u.a.

Wording

Sprache, Bildgestaltung, Sicht- und Unsichtbarkeit von gesellschaftlichen Akteur*innen legen Zeugnis ihrer Entstehungszeit ab und sind bis heute wirksam. Dieses Archiv enthält historisches Film- und Textmaterial aus Archiven des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ab 1964. Einige Dokumentarfilme, Beiträge, Kommentare, Manuskripte, Artikel usw. enthalten Begriffe, Redewendungen und Darstellungen, die heute im Sinne diskriminierungssensiblen Sprach- und Bildgebrauchs abzulehnen sind und nicht mehr verwendet werden. Wir empfehlen, diesen Umstand beim Sichten mitzudenken und in Bildungsangeboten zu thematisieren und verweisen für ein zeitgemäßes Wording auf die Website der Neuen deutschen Medienmacher*innen, die ein stets aktualisiertes Glossar anbieten: https://glossar.neuemedienmacher.de/

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